startup kultur

22. April 2021

STARTUP-KULTUR VS. KLASSISCHES HR, IST DAS DER WETTBEWERB?

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Die StartUp-Branche boomt – mittlerweile auch im DACH-Raum und auf dem Bewerbermarkt. Die ‚Hippe’ Kultur im Startup, flache Hierarchien, sinnstiftende Arbeit durch die Möglichkeit, unmittelbar dabei mitzuwirken, wenn etwas entsteht – es gibt viele Gründe, die angeführt werden, wenn man nachfragt, warum Mitarbeiter*Innen sich teilweise für einen schlechter bezahlten Job im Startup entscheiden, als für den ‚sichereren’ Job im etablierten Unternehmen.Also schlägt die vielzitierte Startup-Kultur klassisches HR-Management auf dem Bewerbermarkt in Zeiten des Fachkräftemangels? Müssen sich somit ausschließlich die sogenannten ‚Traditionsunternehmen‘ umstellen, um eine Chance zu haben? So einfach ist es nicht – erfreulicherweise. Und das nicht (nur) aufgrund der Pandemie und einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis der (potentiellen) Mitarbeiter*Innen, was die berufliche Zukunft angeht. Auch StartUps müssen und sollten sich immer wieder hinterfragen und weiterentwickeln.

Fortschritt erreicht man am ehesten, wenn man von- und miteinander lernt und auch StartUps sollten daran interessiert sein, sich stetig zu verbessern, nicht nur mit Blick auf den Geschäftszweck. Unternehmen und Mensch entwickeln sich nur durch Selbstreflexion und das gilt (insbesondere) auch dann, wenn alles neu ist und glänzt.

Nicht alles gold was glänzt

Schaut man bei einigen StartUps hinter die Kulissen, ist die Welt nicht immer so strahlend, wie Sie nach vorne positioniert wird. Ein Anzeichen etwa sind hohe Fluktuationsraten, trotz der vielzitierten Kulturvorteile oder der Unternehmensattraktivität.

Woran liegt das? Ein Grund sicherlich: Schnelles Wachstum, Druck (der Investoren) um auf den Markt zu kommen und/ oder diesen zu durchdringen – schnell kann aus einer Anfangseuphorie Belastung entstehen, die ohne vernünftige Organisation, Strukturen und Prioritäten zu negativen Effekten und Auswirkungen führen kann, da sie oft ungefiltert durchdringen. Das ist nur zu verständlich, gerade in der Anfangszeit liegt die Priorität klar auf dem Unternehmenszweck und dort erste Erfolge zu platzieren, besteht in ihr doch in der ersten Betrachtung die Unternehmenszukunft. Der Aufbau einer geordneten und nachhaltigen Personalentwicklung wird im Zuge des motivierten und begeisternden Starts in vielen Fällen – auch aus Kostengründen – hinten angestellt.

Die Folge kann ein Verlust des eigentlichen Vorteils gegenüber dem Wettbewerb um Fachkräfte – dem Mittelstand – und fehlende Beständigkeit sein, die für ein Unternehmen gerade in der Anfangszeit relevant ist. Kontinuierliche Veränderung ist nur bis zu einem gewissen Grad förderlich – Agilität braucht auch Stabilität. Doch wie kann man das erreichen, wenn doch viele Themen auf einmal zu regeln sind, wenn Struktur und Ordnung noch im Aufbau sind?

Ein wichtiger Punkt – und der gilt für mich persönlich für StartUps sowie den Mittelstand: Transparenz. Wir nehmen uns in vielen Bereichen die flachen Hierarchieformen, dass kollaborative sowie die Begeisterung beim Mitwirken für das gemeinsame Ziel von StartUps als Vorbild, verbinden es mit New Work und der Zukunft des Arbeitens. Und dann wird in vielen Unternehmen doch von dem abgewichen und ein Bild gezeichnet, dass nicht transparent ist, bzw. nicht der Realität entspricht – man stellt sich deutlich positiver dar, als die Gegebenheiten es hergeben, insbesondere in Bewerbungsgesprächen, jedoch auch bei Mitarbeiter*Innengesprächen, mit Blick auf die aktuelle Situation.

Erstaunt musste ich gerade in StartUps erleben, dass man selbst bei Teamsitzungen lieber die heile Welt zeichnet, als die Realität aufzuzeigen. Und dass, obwohl StartUps doch von der Gemeinschaft und Kollaboration profitieren und leben, die jedoch Offenheit und Transparenz fordert.

Ehrlich währt am längsten

Ich plädiere hier für mehr Ehrlichkeit. Ich habe in eigenen Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass Motivation, Identifikation und Verantwortlichkeitsgefühl steigen, wenn man die Mitarbeiter*Innen offen und ehrlich mitnimmt auf dem Weg des Unternehmens. Ich bin heute noch dankbar für den Zusammenhalt, den ich gespürt und von dem ich auch als Unternehmensverantwortlicher profitiert habe, wenn die Situation mal herausfordernd war. Das führe ich insgesamt darauf zurück, dass ich dieses in Teamsitzungen stets offen gelegt habe und wir uns alle in die Verantwortung gesetzt haben, zur Lösung aktiv mit Einsatz und Gemeinschaft beizutragen. Im Vorfeld haben wir teilweise auch mal anders agiert und versucht, Themen unter der Decke zu halten, ein ausschließlich sonniges Bild zu zeichnen, entgegen der Realität. Ergebnis war, dass dieses positive Bild an vielen Stellen Risse bekommen hat, immer dann wenn der Druck für uns von extern höher wurde. Dann lässt es sich kaum durchhalten den Schein zu wahren. Der Schaden ist dann zumeist nachhaltiger, als bei Offenheit im Vorfeld. Wenn ich von meinem Unternehmen, meinem Produkt/ meiner Dienstleistung und mir überzeugt bin, sollte ich selbstsicher genug sein, dass meine Mitarbeiter*Innen mir auch in herausfordernden Zeiten folgen, weil sie genauso überzeugt sind. Habe ich hier als Unternehmensverantwortlicher Bedenken, sollte mich das insgesamt bedenklich stimmen.

Hier schließt sich der Kreis. Etablierte Strukturen und Hierarchien sowie klare Prozesse und eine versierte HR-Abteilung können vieles abfedern – jedoch nicht alles. Die Stimmungslage im Unternehmen ist immer noch einer der wesentlichen Aspekte der Gewinnung und Bindung von Mitarbeiter*Innen. Und da sind gelebte Unternehmenskultur und -werte unmittelbarer Gradmesser. Stetiger Druck, wenig Gestaltungs- und Entwicklungsspielraum, keine authentische Teamorientierung, nur nach außen gelebte flache Hierarchien und Unternehmenswerte, die als Marketingsprech angesehen werden – das hilft weder einem StartUp noch dem Traditionsunternehmen und dringt am Ende trotz vieler Vorkehrungen auch nach außen. Portale wie Kununu machen mit der Zeit transparent, was die Unternehmensführung intransparent halten möchte. Viel relevanter ist jedoch das, was durch Intransparenz im Innenverhältnis an Schaden entstehen kann- Flurfunk, schlechte Stimmung, Unzufriedenheit – wir alle kennen das sicher.

Agilität braucht Stabilität

Wenn wir also davon sprechen, was Mittelstand und StartUps mit- und voneinander lernen können und sollen, dann die Relevanz von Unternehmenskultur, Transparenz und gelebten Werten zur Orientierung. Diese sollten nachhaltig aufgestellt und ausgerichtet sein. Dafür gilt es, sich (auch als Unternehmensverantwortliche) zu hinterfragen, auf die Gefahr hin, dass man Negatives aufdeckt.

Reflexion treibt uns und Unternehmen an sowie fördert eine Entwicklung, sind mit Ihr doch Offenlegung der tatsächlichen Gegebenheiten und die Einbindung der Betroffenen verbunden und die Chance und Möglichkeit, daraus zu lernen. Das sollte man immer berücksichtigen.

Gezielt, mit Blick auf den Wettbewerb auf dem Bewerbermarkt, kann der Mittelstand also sicherlich von den flachen Hierarchieformen eines StartUps lernen. Mitgestaltung und das Aufzeigen des Anteils der/des einzelnen Mitarbeiter*In am Gesamtwerk schaffen immer noch die deutlich tiefergehende Identifikation und Motivation sowie auch Verantwortlichkeit, die oft in festgefahrenen Strukturen verloren geht. StartUps dagegen können von der Stabilität und den klaren Strukturen lernen, die ein Unternehmen mit dem Fokus auf die persönlichen Entwicklungsschritte im Unternehmen vorhält. Verbindet man beides und ist dabei ins besondere intern transparent, was die Unternehmenssituation angeht, befindet man sich in einer starken Situation motivierte, engagierte und verantwortliche Mitarbeiter*Innen zu gewinnen und zu binden – Agilität braucht Stabilität, insbesondere in der Unternehmenskultur und den -Werten.

Nur meine Meinung, diese jedoch voller Überzeugung! In meiner bisherigen beruflichen Laufbahn durfte ich zahlreiche Erfahrungen sammeln, als Verantwortlicher eines eigenen Unternehmens, Unit-Leiter nach dem Verkauf des Unternehmens in einen Konzern und in verantwortlichen Positionen im Mittelstand. Mein Learning: Ehrlich währt am längsten, auch wenn es den schönen Schein zerstört, denn gemeinsam nach vorne gerichtet kommt man schneller voran als alleine.

ARNE GELS, Vorstand RETENCON AG

Seit über zehn Jahren arbeitet Arne Gels als Lead-Experte für Corporate Culture und Transformation. Agieren zu können anstatt zu reagieren ist dabei seine Devise für den Erfolg. Unternehmen und Konzerne berät Arne Gels darin, wie sie sich und ihre Mitarbeiter*Innen auf die Themen und Informationen für Fortschritt und Entwicklung konzentrieren.

Erfahrung bringt er dabei aus der Leitung von einem eigenen Unternehmen, das er 2015 an TÜV Rheinland verkaufte und der Leitung von Profit Centern im Konzern sowie der aktuellen Leitung von 2 Unternehmen mit.

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