Wir haben mit Katja Suding unter anderem über ihren beeindruckenden politischen Werdegang, den Ökovation Ventures Mittelstands-Fonds und das große Thema Innovation gesprochen.
2021 beendete die nun ehemalige Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende der FDP, Katja Suding, ihre politische Laufbahn. Sie war bis dahin eines der bekanntesten Gesichter der Freien Demokraten. Jetzt ist sie freiberuflich als Beraterin tätig und Beiratsmitglied des Ökovation Ventures Mittelstandsfonds. Des Weiteren schreibt Sie gerade an ihrem neuen Buch “Reißleine”, welches im März 2022 erscheinen wird.
Warum hatten Sie sich entschlossen, in die Politik zu gehen?
Ich war schon als Jugendliche eine freiheitsliebende Person. Ich habe oft nicht verstanden, warum sich Politik in Dinge einmischt, von denen sie nichts versteht und da unnötig reguliert. Man muss Menschen und Unternehmen mehr zutrauen, selbst die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Stattdessen sollte Politik die Rahmenbedingungen schaffen, damit Menschen ihrer Verantwortung selbst gerecht werden. Zum Beispiel durch gute Bildung.
Genau da wollte ich mich engagieren und habe so den Weg – meinen Weg – zu den Freien Demokraten gefunden.
Was war bisher ihr größter beruflicher Erfolg?
Ich habe elf Jahre lang im Parlament eine Oppositionsrolle innegehabt. Da ist es gar nicht so einfach zu gestalten. In dieser Zeit habe ich zwei Verfassungsänderungen mitgestaltet. In Hamburg ging es um die Verankerung der Schuldbremse in der Landesverfassung. Zusammen mit SPD und Grünen haben wir damit jede Menge erreicht: Chancen für unsere Kinder und Enkelkinder – ohne immense Schuldenberge, die einschränken und ihre Zukunft beeinflussen.
In meiner letzten Legislaturperiode habe ich an einer Grundgesetzänderung gearbeitet, die den Bildungsföderalismus betrifft. Wir haben eine Öffnung erreicht, die moderne Bildung, vor allem auch digitale Bildung, erleichtert.
Die Corona-Pandemie hat schonungslos offengelegt, wie groß unsere Defizite auf dem Gebiet sind.
Welche Situation Ihrer Karriere ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Meine Jahre in der Politik waren allesamt sehr intensiv mit unzähligen besonderen Momenten. Einer der Schönsten war mein erster Wahlsieg 2011, als wir – entgegen allen Vorhersagen – zurück in die Bürgerschaft kamen.
2015 haben wir diesen Erfolg wiederholt, und das bei einer noch schlechteren Ausgangssituation.
In meinem Buch „Reißleine: Wie ich mich selbst verlor – und wiederfand“, das Ende März erscheinen wird, spreche ich darüber, wie ich zu Politik kam, was ich in diesen elf Jahren erlebt habe, wie ich damit umgegangen bin und warum ich ausgestiegen bin. Es ist ein sehr persönliches Buch.
Was war im beruflichen Umfeld der Politik ganz anders als erwartet?
Ich hatte zuerst keine klaren Vorstellungen. Anfang 2011 wurde ich durch vorgezogene Neuwahlen plötzlich zur Spitzenkandidatin. Von einem Moment auf den anderen so sehr in der Öffentlichkeit zu stehen, der permanente Druck, sich öffentlich zu erklären und kommentiert zu werden – daran musste ich mich gewöhnen. Einerseits ist es gut und wichtig, medial präsent zu sein und gehört zu werden. Für mich als Mensch war das aber nicht immer angenehm.
Wofür brennen Sie neben Ihrem Job?
Ich war schon immer und werde auch immer ein politischer Mensch bleiben – auch wenn ich keine aktive Politikerin mehr bin. Gerne möchte ich mich weiterhin einbringen. Themen wie Female Empowerment, Bildung, Innovation & Gründerkultur liegen mir sehr am Herzen. Im Moment bin ich dabei auszuloten, wie ich mich in diesen Bereichen am besten einsetzen kann.
Was bedeutet für Sie Innovation?
Gründungen bringen Dynamik in eine Wirtschaft. Sie werden von Innovationen angetrieben und bringen weitere Innovationen hervor. Gründungen üben Druck auf etablierte Unternehmen aus und fördern so den Wettbewerb um die besten Geschäftsmodelle, die besten Produkte und die besten Dienstleistungen. Sie zwingen diese Unternehmen, innovativ zu bleiben, sich ständig anzupassen und sich nicht auf dem Erfolg früherer Tage auszuruhen.
Gründungen stärken die soziale Durchlässigkeit einer Marktwirtschaft. Neben bester Bildung eröffnet vor allem die Gründung eines Unternehmens Chancen zum sozialen Aufstieg und ermöglicht Wohlstand und gesellschaftliche Anerkennung.
Und: Neue Unternehmen schaffen neue Arbeitsplätze. Wenn wir über Gründerkultur sprechen, dann reden wir also über nichts Geringeres als über die Zukunft unseres Landes. Deutschland hat die Krisen und Herausforderungen der letzten Jahre auch deshalb so gut überstanden, weil unsere wirtschaftliche Basis stark ausdifferenziert ist. Neben Konzernen ist es vor allem der Mittelstand der für Stabilität, Beschäftigung und natürlich Innovation sorgt.
Deutschland ist eine innovationsbasierte und rohstoffarme Volkswirtschaft. Gerade hier sind Unternehmensgründungen überlebensnotwendig. Ohne neue Ideen, neue Geschäftsmodelle, neue Produkte und Dienstleistungen können wir langfristig weder unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit noch unser Wohlstandsniveau halten.
Für all das brauchen wir kontinuierlich Menschen, die Lust haben, ein Unternehmen zu gründen, Mut haben, Risiken einzugehen und sich von Bedenkenträgern nicht von Ihrem Weg abbringen lassen.
Warum haben Sie sich entschieden, dem Beirat des Ökovation Ventures Fonds beizutreten?
Die Anfrage hat mich unglaublich gefreut! Am Ökovation Ventures Fonds finde ich so grandios, dass eine Verbindung von starken mittelständischen Unternehmen und neuen innovativen Startups geschaffen wird. Beide brauchen einander.
Die Kombination von unterschiedlichem Wissen und von Erfahrungen verschiedenster Menschen ist äußerst wertvoll.
Mir ist es eine Ehre, mit den spannenden Persönlichkeiten im Ökovation Ventures Fonds zusammenzuarbeiten. Ich freue mich darauf, Unternehmen kennenzulernen und meine Perspektive, die ja auch stark durch die Jahre in der Politik geprägt ist, einzubringen.
Hat sie ein Startup in letzter Zeit besonders begeistert?
Ich finde so viele toll! Ich habe in letzter Zeit ein paar Fintechs besser kennengelernt. Aber auch einige Gründungen aus dem Bereich Social Entrepreneuship haben mich sehr beeindruckt. Es muss ja nicht immer um hohe Renditen und wahnsinniges Wachstum gehen.
Welchen Tipp würden Sie Gründer:innen mitgeben? Worauf würden Sie bei Investments besonders achten?
Gründer:innen müssen mich mit ihrer Idee begeistern und überzeugen – dafür sollte sie wirklich durchdacht sein.
Wichtig neben den Gründer:innenist aber auch das Team, das die Idee umsetzen soll. Beides muss zusammenpassen. Nur dann kann eine hervorragende Idee auch wirklich auf den Weg gebracht und können Hürden gemeistert werden. Mit dem Team steht und fällt das Ganze. Die Köpfe hinter dem Startup sind für mich entscheidend.
Wie schätzen Sie die politischen Rahmenbedingungen für Gründer:innen ein, Katja Suding?
Meines Erachtens muss bei den Finanzierungsmöglichkeiten für Gründer:innen nachgebessert werden – das bringt die neue Bundesregierung nun auf den Weg. Finanzminister Christian Linder geht hier gut voran.
Für Startups sind außerdem Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sehr wichtig, um im internationalen Wettbewerb gut qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Die Besteuerung sollte erst bei der Veräußerung einsetzen und der von Unternehmensbeteiligungen entsprechen. Und es braucht eine eigene Anteilsklasse für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, um den teuren und administrativ aufwendigen Prozess der Übertragung von GmbH-Anteilen zu vereinfachen.
Insgesamt müssen wir die Gründerkultur in Deutschland weiter stärken. Der Makel des Scheiterns muss verschwinden. Junge Menschen – potenzielle Gründer:innen – müssen auch mal scheitern dürfen, ohne stigmatisiert zu werden. Sie sollten durch die Gesellschaft ermutigt werden, es dann nochmal zu versuchen.